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Pfarrbrief St. Christophorus / Fürth – Beitrag v. Willi Schönauer, Juni 2013

 

„Was wünschen sich Jugendliche von einer Jugendkirche?“ lautete unsere Frage auf dem Kirchentag in Hamburg vor einigen Tagen. Über 120 Jugendliche notierten uns ihre Antworten: „Einbezogen werden“ war einem Viertel wichtig, noch mehr wollten „kurze Predigten“, „Freunde treffen“ ist ihnen besonders wichtig und die mit Abstand häufigsten Wünsche waren: „Gutes Programm“ und „Coole Musik“.  Gut, das waren meist kirchlich sozialisierte Jugendliche und evangelische noch dazu, aber wir kennen ähnliche Antworten auch von katholischen Jugendlichen.

 

„Ich bin gläubig, aber in die Kirche geh‘ ich selten“ fällt häufig als Statement, fast entschuldigend. Das deckt sich mit verschiedenen Studien: Rund 70 % aller Jugendlichen sind spirituell interessiert. Die verfasste Kirche allerdings erreicht nur noch rund 10 %. Was passiert mit den übrigen 60 %? Verkümmert ihr Interesse? Wandern sie in freikirchliche, esoterische oder okkulte Bereiche ab?

Sicher ist jedenfalls, dass die Jugendlichen, die wir noch in unseren Kirchen haben, eher die Ausnahme sind. Und die wünschen sich „kurze Predigten, Beteiligung, gutes Programm und coole Musik“.

 

Stellen Sie sich einen jungen Menschen vor, der ganz ohne kirchlichen Bezug aufgewachsen ist und aus Neugierde und einer plötzlichen Laune heraus oder weil er gerade in einer Lebenskrise steckt,  unsere Kirche betritt:  Mindestens vier der genannten Wünsche werden ihm wohl nicht erfüllt, selbst wenn die Türe gerade offen ist. Außerdem erschließen sich ihm die Symbolik der Kirche und die  Rituale darin nicht gerade intuitiv.

Der „Traditionsabbruch“ Jugendlicher hat viele Gründe. Hierzu gehören der häufige Ausfall schulischer oder familiärer Sozialisationsinstanzen in religiösen Fragen und Riten, die geringe Kenntnis biblischer Geschichten, kirchlicher Lieder und christlicher Lebensinhalte, die Fremdheit gegenüber dem Kirchenraum und dem Kirchenjahr.

 

Erschwerend kommt hinzu, dass kirchliche Jugendangebote nicht mehr flächendeckend vorzuhalten sind, durch kontinuierliche Kürzungen und die Fusion zu Seelsorgeeinheiten fand ein erheblicher Personal- und Ressourcen-Abbau statt. Nun wird einerseits punktuelle Arbeit mit Ausstrahlung und andererseits, gemäß Sinus- und anderer Studien eine verstärkte Zielgruppen-Orientierung empfohlen.

 

Kann das mit der traditionellen Sonntagmorgen-Messe geleistet werden? Würden sich Jugendliche diesen Zeitpunkt wählen? Gibt es Andockpunkte für junge Menschen, z.B. ein Song von Xavier Naidoo, ein Kreuzwegbild in Graffiti, die Möglichkeit, sich mit Gebetsanliegen per Facebook-Postings zu beteiligen?

Hier setzt Jugendkirche an: Sie möchte ein niedrigschwelliges Angebot schaffen, damit die „Generation Facebook“ überhaupt wieder den Weg hierher findet, freiwillig. Sie soll ein lebendiger Ort sein, an dem Jugendliche ihre Spiritualität entdecken und leben können. Die Freude am Glauben ist erfahrbar, in einer Sprache, die Jugendliche verstehen. Sie bietet Raum zum Experimentieren und sich Glauben anzueignen. Jugendliche Lebenswelten, ihre Ästhetik und ihre Themen setzen sich in Beziehung zur Kirche.

 

Am Rande eines Vortrags hat mir letztes Jahr einmal eine ältere Dame gesagt: „ Natürlich habe ich Bedenken wegen der Veränderungen, die auf uns zukommen, wenn wir Jugendliche einladen, die Kirche mit uns zu teilen. Die wollen natürlich auch ihre Dinge mit einbringen, das muss man aushalten. Aber noch viel mehr Angst habe ich davor, weiterhin die Jüngste in unseren Gottesdiensten zu bleiben und ich bin immerhin schon 57 Jahre alt.“

 

Eine immer wiederkehrende Frage bei der Entwicklung von Jugendkirchen ist auch, ob Jugendliche von  Nachbargemeinden „abgesaugt“ werden. Hier können wir mittlerweile aus über 10 Jahren Erfahrung sagen: Das ist nicht der Fall. Z.B. habe ich in Hannover eine junge Frau namens Frieda vor Augen: Sie hat in ihrer Heimatgemeinde eine Jugendgruppe geleitet und dann begeistert in der entstehenden Jugendkirche mitgemacht – zusätzlich. Um sich das zeitlich leisten zu können, hat sie auf Abend-Sport verzichtet und dann in der Juki dafür bei einem Samba-Gospel und einem Tanzprojekt mitgemacht. Wer in seiner bisherigen Gemeinde beheimatet ist, möchte dies auch bleiben und holt sich in der Jugendkirche zusätzlichen Input.

Wenn dann noch die umliegenden Gemeinden mit der Jugendkirche zusammen Kooperationsprojekte auf die Beine stellen, die keine Gemeinde alleine stemmen könnte, haben alle ganz viel davon.

Besonders bereichernd ist es für die gastgebende Gemeinde, denn sie hat ein sehr attraktives Angebot für junge Menschen nun zusätzlich im eigenen Haus. Außerdem kann sie die technischen Einrichtungen der Jugendkirche mit nutzen – nicht selten entsteht daraus ein zusätzliches Kulturangebot für die Gemeinde, weil es nun nicht mehr so kompliziert ist, die Technik extra in die Kirche zu holen – sie ist ja bereits da. Gerne werden Jugendliche dann auch bei der Bedienung helfen. 

 

In Deutschland gibt es bereits über 240 Jugendkirchen, mit steigender Tendenz. Viele gute Erfahrungen, die konfessionsübergreifend ausgetauscht werden, z.B. findet im Herbst ganz in der Nähe das große Jugendkirchen-Symposium statt, diesmal angedockt an „Lux“ die erfolgreiche evangelische junge Kirche Nürnbergs. Diese Erfahrungen stehen Ihnen zur Verfügung, das Rad muss nicht noch einmal neu erfunden werden, kollegiale Beratung hilft.

 

Vielleicht lassen Sie sich ja anstecken von der Vision eine Jugendkirche:

„Es gibt Jugendgottesdienste, die sind fast wie ein Konzert und Konzerte, die die spirituelle Kraft eines Gottesdienstes haben. Es ist möglich, einfach in den Bistro-Café-Bereich zu kommen, bei guter Musik Leute zu treffen und über Gott und die Welt zu reden, während nebenan die Proben für ein christliches Musical laufen, ein Kunstobjekt entsteht, ein Team  den nächsten Jugendgottesdienst plant und sich Jugendliche als SeelsorgehelferInnen ausbilden lassen. Ein niedrigschwelliges Angebot für Kirchenferne, aber auch inspirierender Ort für kirchennahe Jugendliche, mit  breit gefächertem Programm.“

 

Zum Autor: Willi Schönauer, geb. 1959, erfahrener Jugendkirchen-Coach, gelernter Architekt, praktizierender Kulturmanager im jungen Kulturbereich, Ausbilder für Veranstaltungskaufleute, Vors. der Jugendkirchen-Fördervereins (Sitz Baden-Baden), Betrieb des Jugendkirchen-Internet-Portals www.jukis.de / www.jugendkirchen.org, katholisch - ökumenisch, 2 Töchter (im relevanten Zielgruppenalter). Mail: willischoenauer@aol.com

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